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Free Spirit tanken und durchstarten

Rafael Hafners Cheeky Racers

Spiel ist die höchste Form der Forschung     

Albert Einstein

Wenn einer ein käufliches Objekt, gleich ob Gebrauchsgegenstand, Apparat, Spielzeug oder Schmuckstück, maschinell in Serie herstellen lässt, geschieht dies normalerweise, um durch mechanische Reproduktion Herstellungsabläufe zu vereinfachen, Kosten zu senken und auch bei geringen Gewinnmargen durch hohe Stückzahlen profitabel zu wirtschaften. Das Ergebnis ist dann fast zwangsläufig ein Massenprodukt: austauschbar und, wenn es besonders billig auf den Markt kommen soll, auch noch von schlechter Qualität.

Das Gegenteil ist bei Rafael Hafners Cheeky Racers der Fall. Zwar versuchen auch sie, auf dem Weg der Serienproduktion den Käufer zu erreichen. Und doch bleibt jeder für sich einzigartig. Ganz im Gegensatz zu einem gewöhnlichen Industrieprodukt hat der Künstler keinerlei Mühe gescheut, um zu einem perfekten Ergebnis zu gelangen. Nach Wunsch des Kunden, customized in Farbe und Aufdruck, sind die Cheeky Racers Unikate. In einer Auflage von 300 Stück pro Farbe gefertigt, ist jeder einzelne wie ein Auflagen-Kunstwerk mit seiner eigenen Nummer versehen.

Mit kleinen Spielobjekten aus Tierknochen und alten Blechen bewarb sich Hafner bereits an der Münchner Kunstakademie – und wurde damit in die Klasse für Schmuck und Gerät des Professors Otto Künzli aufgenommen. In zeitaufwendiger Handarbeit fertigte er seine ganz eigenen Objekte, die weder am Körper getragen, noch in der Vitrine ausgestellt werden sollten. Und blieb damit auf dem Gebiet des Schmuckdesigns doch ein Außenseiter.

Auf einer seiner vielen weiten Reisen gelangte er nach Peru. Dort kam ihm der Gedanke, ein Spielobjekt als Multiple in Serie anfertigen zu lassen. Er fertigte einen Prototypen – und feilte monatelang an der Mechanik des sich auf und ab bewegenden Totenkopfes. Er suchte nach Herstellern, die in der Lage wären, seinen Anforderungen zu genügen. Dabei machte er die Erfahrung, dass Zeit in Lima in einem ganz anderen Tempo voranschreitet. Schon allein vom einen Ende der Stadt zum anderen zu gelangen, bedeutete ein unkalkulierbares Abenteuer. Daran waren offenbar alle gewöhnt. „Mañana“ (morgen) bekam er zu hören, wenn er wissen wollte, wann etwas fertig wäre – ein dehnbarer Begriff.

Nach langem Suchen fand er schließlich einen Maschinen- und Formenbaubetrieb, der mit Hilfe modernster 3D-CAD-Programme und der Handarbeit einer ganzen Mannschaft, bestehend aus Ingenieur, Konstrukteuren und Mechanikern, in einem Zeitraum von vier Jahren sämtliche benötigten Guss- und Stanzformen sowie Montagegräte entwickelt hat. Damit nicht genug: Ein Betrieb, der normalerweise medizinische Präzisionswerkzeuge anfertigt, dreht mit einer neuen CNC-Fräse auf den Zehntelmillimeter genau die Schraubverbindungen. Ein Metalldruckguss- und Galvanisierungsbetrieb steuert den verchromten Kühlergrill und das Lenkrad bei. Weiterhin sind beteiligt: einer der größten Produzenten von Kunststoffspritzgusserzeugnissen in Lateinamerika, ein Experte für Tampondruck und andere Betriebe, die unter anderem die Arme der Figuren aus Stahlblech ausstanzen und pulverbeschichten.

Was sie alle bei der Stange hielt, war nicht die Aussicht auf finanziellen Gewinn. Vielmehr entdeckten sie in den Qualitätsansprüchen des verrückten Gringo, der für ein kleines Spielobjekt einen scheinbar völlig übertriebenen Entwicklungsaufwand betreibt, eine Chance. Auf einmal wurde in ihrem Betrieb viel genauer gearbeitet: ein nicht zu unterschätzender Wettbewerbsvorteil.

Es entstand eine gelungene Fusion aus Made-in-Germany-Anspruch und peruanischem Mañana-laissez-faire. Kunstobjekt, und doch zum Anfassen, nicht für die Vitrine; Schmuckgegenstand und zugleich Spielzeug: Die Cheeky Racers passen nicht in herkömmliche Kategorien. Qualitativ hochwertig, gefertigt aus durchgefärbtem, robustem Kunststoff und Edelstahl und nahezu unzerstörbar, wollen sie vor allem eines: Lebens- und besonders Spielfreude in die Nüchternheit der durchrationalisierten Welt der Erwachsenen zurückbringen.

„Quo vadis“, steht auf den Reifen, „Inspiration“, „Cause“ und „Effect“ oder, fast schon ein wenig paradox für einen Rennwagen: „relax“. An der Zapfsäule, integriert in die Verpackung, tanken die Cheeky Racers „Free Spirit“. Das Radio lässt sich von „Ego“ auf „Love“ umstellen. Der Führerschein liefert weitere Instruktionen: „Light up your engine!!“ steht da: „Come out of your cozy little garage and hit the highway of life / Face the ‘ups and downs’ with curiosity and smile” Es gibt nichts zu befürchten: “It’s ‘death-proof’ / Enjoy the ride!!”

 

Dass es Totenköpfe sind, die von Helmen geschützt aus den Karosserien herausragen, darin sieht Rafael Hafner keinen Widerspruch: Lieber humorvoll mit der eigenen Endlichkeit umgehen, als todernst der Rationalität vorgegebener Ziele zu folgen.

Dietrich Heißenbüttel, Kunstkritiker

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